Die diesjährige Bundestagswahl droht, langweilig zu werden. So wie schon beim letzten Mal. Die CDU räumt den Großteil der Stimmen ein, die SPD kriecht im Zwanzigerbereich herum und die restlichen Parteien sind potentielle Koalitionspartner. Außer natürlich die AfD. Für Rot-Rot-Grün wird es vermutlich nicht reichen, inzwischen wird schon eine schwarz-gelbe Koalition öffentlich diskutiert.
Dabei sah alles so vielversprechend aus. Der Schulzzug rollte noch am Anfang des Jahres ohne Bremsen in Richtung Kanzleramt, doch nach einiger Zeit sprang die Bevölkerung wieder ab – zu wenig Profil zeigte Schulz in seiner Hypezeit, er wollte es sich eben nicht verscherzen mit dem Wahlvolk.
Doch genau darin liegt das Problem. Nicht nur bei Schulz und der SPD übrigens. Nein, auch die Grünen drohen knapp an der 5 %-Hürde vorbeizuschrammen. Und das zu einem Zeitpunkt, der nicht günstiger für die Umweltpartei sein könnte. Der Dieselskandal, der in den letzten Wochen erheblich an Umfang zugenommen hat, wäre eine großartige Situation, um sich als Anwalt der umweltbesorgten Bürger zu profilieren. Doch die Grünen ducken sich weg. Zu groß ist inzwischen die Nähe zwischen der Partei und der Autoindustrie.
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württembergs und Grüner, hat vor kurzem den »sauberen Diesel« als Ziel der deutschen Umwelt- und Verkehrspolitik präsentiert und selbst Cem Özdemir tat sich anfangs schwer, die richtigen politischen Konsequenzen aus der Dieselaffäre zu ziehen.
Jetzt wäre es an der Zeit, nicht »Ende mit der Kohle oder Ende mit der Umwelt« auf die Wahlplakate zu schreiben, sondern »Ende mit dem Verbrennungsmotor bis 2030«.
Doch die Grünen verschlafen ihre Chance aus Angst vor der angeblichen Autofahrernation. Ohne eine schärfere Profilbildung aber werden die Grünen wohl oder übel knapp bei der 5 %-Hürde bleiben.
Das selbe gilt für die SPD. Fast wirkt es, als habe die Partei, deren Kandidat Schulz fast mantrahaft seinen Wunsch nach dem Kanzlerdasein wiederholte, schon allen Mut verloren. Die Plakatkampagne wirkt erstaunlich blass, ebenso wie Schulz in der letzten Zeit. Offenbar hat man sich bei den Sozialdemokraten noch nicht vom Ende des Schulzhypes erholt.
Dabei ist es jetzt umso wichtiger, Profil zu zeigen. Dass es eine Offenheit für Schulz im Kanzleramt gibt, hat der Schulzhype jedenfalls gezeigt. Nun muss Schulz zeigen, was er kann – und vor allem, was er vorhat. Während einige innovative Programmpunkte wie die Bürgerversicherung nicht genug öffentlich kommuniziert werden, bleiben wichtige Punkte, wie eine Hartz-IV-Reform auf der Strecke.
Die SPD muss sich trauen, neue Wege zu gehen, altes hinter sich zu lassen und neuen Ideen Raum zu geben. Die Rentenreform der SPD soll nur Sicherheit bis 2030 bieten. Aber was kommt danach? Zur Zukunft der Arbeit hört man von den Sozialdemokraten erstaunlich wenig. Robotersteuer? Höheres Arbeitslosengeld? Gar ein Grundeinkommen? Fehlanzeige! Dabei wäre gerade die Diskussion um solch ein wichtiges Thema für unsere Gesellschaft wichtig. Die SPD könnte zeigen, dass sie nicht nur der CDU hinterher rennt, sondern selbst Themen setzt. Aber das lernt sie wohl erst, wenn sie die Wahl erneut verloren hat. Wenn sie es denn überhaupt lernt.