Da ich in der Nähe eines Bahnhofes inklusive Bahnhofskiosks arbeite, habe ich des öfteren Zugang zur breit gefächerten Welt der Zeitungen und Zeitschriften. Während ich mich lange Zeit auf die »Klassiker« wie Spiegel, Straßenbahn-Magazin oder Stadtverkehr beschränkte, habe ich seit einigen Monaten begonnen, die Regale genauer zu inspizieren und etwas nischigere Zeitschriften zu kaufen.
Cicero
Zuallererst begann ich, den Cicero zu kaufen, laut Untertitel ein »Magazin für politische Kultur«. Das klang spannend und war im Grunde genommen genau das, was ich gesucht hatte: Ein Politikmagazin, das monatlich erschien. Zwei Ausgaben kaufte ich, dann legte ich Cicero angeekelt weg. Denn neben einigen sehr guten und wirklich spannenden Reportagen finden sich im Heft doch auch stark rechtslastige Kommentare und Beiträge. So musste ich lesen, der Islam sei »ein globales Problem« (was ich im Übrigen für sehr undifferenziert halte) und einen sechsseitigen Lobgesang auf die CSU überblätterte ich schon, ohne ihn richtig gelesen zu haben. Andererseits enthält das Heft auch jedes Mal eine interessante Geschichtsreportage, ein Format, dass ich in dieser Form noch gar nicht kannte. Zudem kann sich der Literaturteil wirklich sehen lassen und das Titelthema »Windkraft« war in einem Heft durchaus sehr ausführlich und gut recherchiert und beschrieben.
Als ich das Heft zum letzten Mal beiseite legte und mir schwor, es nie wieder zu kaufen, tat ich das mit gemischten Gefühlen. Denn die Idee eines monatlich erscheinenden Politikmagazins finde ich noch immer spannend − bis heute habe ich keine vergleichbare Publikation gefunden. Auch das Layout und die Bilder waren sehr ansprechend und auch die Themenauswahl war, bis auf einige wirklich sehr extreme Ausnahmen, wirklich außergewöhnlich und spannend.
Dem Cicero wird inzwischen auch von anderen Publikatoren vorgeworfen, rechtslastig zu sein, allerdings wurde ihm vor einigen Jahren auch schon einmal vorgeworfen, linkslastig zu sein. Er selbst beschreibt sich als Debattenmagazin, in dem sowohl rechte als auch linke Meinungen abgedruckt würden. Das Gefühl hatte ich, wenn überhaupt, nur mit Einschränkungen.
Katapult
Der Untertitel »Magazin für Sozialwissenschaften und Kartografik« war der Grund, weshalb ich mir unbedingt eine Ausgabe des Katapult zulegen musste. Zuallererst hielt ich es für einen Scherz, was sollte denn Kartografik mit Sozialwissenschaften zu tun haben? Also nahm ich das Heft aus dem Regal, es war die zweite Ausgabe, die jemals erschienen ist, vorher existierte das Katapult nur als Internetseite. Beim Durchblättern stellte ich fest, dass der erst so absurd wirkende Untertitel durchaus ernst gemeint war − im Heft finden sich eine große Zahl wunderbarer Grafiken, meist auf Welt-, Europa- oder Deutschlandkartenbasis. Noch nie zuvor habe solch interessante Grafiken gesehen; und noch nie zuvor habe ich gesehen, dass »Infografiken« in einem Heft so sehr zelebriert wurden. Manchmal nehmen sie ganze Doppelseiten ein, häufig auch anderthalb Doppelseiten. Man kann sich gar nicht daran satt sehen, so viel Spaß bereiten allein schon die Grafiken.
Die Zeit für Katapult muss man sich nehmen, am Ende lohnt es sich.
Natürlich enthält Katapult auch Texte. Die sind angenehm ausführlich, ziehen sich gerne über zwei bis vier Doppelseiten entlang und sind auch thematisch spannend. So werden aktuelle Themen aus sozialwissenschaftlicher Sicht betrachtet, teils sind Dozenten aus Universitäten die Autoren der Texte, teils auch die sehr begabten Katapult-Redakteure. Die Zeitschrift regt zum Denken an und erscheint viermal im Jahr, was sehr angenehm ist, denn das Katapult ist keine Zeitschrift, die man an einem freien Tag von vorn bis hinten durchliest. Ich brauchte nach dem Lesen jedes Beitrages eine gerne auch mal ausführliche Denkpause, denn der Stoff ist zwar gut zu lesen, aber gedanklich manchmal schwer verdaulich.
Das soll aber kein Nachteil sein, denn das Katapult ist wirklich sehr lesenswert. Ein netter Vorteil: Das Jahresabonnement kostet knapp unter 40 Euro − das sollte sich jeder leisten können.
Reportagen
Eigentlich war ich auf der Suche nach Zeitschriften mit politischen Inhalten, doch das Magazin Reportagen blitzte immer wieder in auffälligem grün zwischen den vielen anderen Zeitschriften hervor. Ein Schriftzug auf der Titelseite verriet außerdem dass diese Ausgabe einen Kennenlernpreis von 9, statt üblicherweise 15 Euro bot, also nahm ich allen Mut zusammen und kaufte trotz des fehlenden aktuellen politischen Bezugs das Heft, das übrigens eher ein Buchformat hat. Man kann es sogar sehr gut in sein Bücherregal stellen und dort sieht es gar nicht mal so schlecht aus. Auch beim Durchblättern erinnert Reportagen eher an ein Buch, denn der Text ist dominierend und von der Aufmachung her wirklich sehr an die Gestaltung von Büchern angelehnt. Das kommt dem Lesefluss natürlich sehr zu gute, es liest sich wirklich wunderbar im ganzen Heft. Das liegt aber auch daran, dass die Reportagen in Reportagen eine Güteklasse haben, wie man sie in deutschen Zeitschriften nicht allzu oft findet. Vor allem die Länge ist beeindruckend, die Themen werden wirklich in der Ausführlichkeit behandelt, die ihnen zusteht. Anfangs gewöhnungsbedürftig ist die Rechtschreibung in Reportagen, das Heft kommt aus der Schweiz, wo das Eszett durch Doppel-S ersetzt wird. Zudem werden einige Wörter anders verwendet oder sind in Deutschland nicht geläufig. Das behindert aber nicht das Textverstehen, denn meistens konnte ich mir schnell zusammenreimen, was an der jeweiligen Stelle gemeint war.
Die Aufmachung, der Inhalt und letztlich auch der Preis von Reportagen sind hochwertig. Ob ich wirklich bereit bin, sechsmal im Jahr 15 Euro für dieses Heft zu zahlen, kann ich noch nicht abschließend sagen. Aber aufgepasst! Reportagen lesen macht abhängig. Ich warte schon sehnsüchtig auf die nächste Ausgabe und bin gespannt, welche Themen sie umfassen wird.
Geo
Ja, ich weiß, Geo ist kein Nischenheft, sondern eines der beliebtesten Reportagenmagazine Deutschlands und sogar Europas. Denn Geo hat auch international viele Ableger, die hoffentlich genauso wunderbar sind, wie es die deutsche Geo ist. Der Grund, warum ich es trotzdem bisher so wenig beachtet hatte, war einerseits der fehlende deutsch-innenpolitische Bezug wie beim Reportagen-Heft, andererseits hatte mein Vater, als ich kleiner war, ein Geo-Abonnement und ich fand das Heft damals nicht spannend. Inzwischen hätte ich es besser wissen sollen, denn nach dem Kauf der aktuellen Geo war ich derart positiv überrascht, dass ich mich glatt ärgerte, das Heft nicht schon früher für mich entdeckt zu haben.
Geo sorgt dafür, dass selbst Leute wie ich, die nicht über Reisefieber verfügen, Fernweh bekommen.
Insbesondere das wertige Layout, aber auch die Themenauswahl überzeugten mich vollständig. Da waren Reportagen aus der ganzen Welt, die einen in ganz andere Lebensrealitäten hineinblicken ließen, da gab es großformatige Bilder einer hohen Güteklasse, alles in allem eine tolle Zeitschrift. Ich war doch ein wenig erstaunt, dass sie 7 Euro kostet, bei solch einer »großen« Zeitschrift war ich doch von einem niedrigeren Preis ausgegangen. Aber der Preis tat nicht weh − und vor allem bekam ich dafür doch wirklich einiges geboten. Geo sorgt dafür, dass selbst Leute wie ich, die über keinerlei nenneswertes Reisefieber verfügen, Fernweh bekommen. Und das ist wirklich erstaunlich.
Central
Ein seltsamer Titel für eine Zeitschrift dachte ich, als ich das Central-Heft erstmals im Kiosk liegen sah. Das lag vor allem daran, dass ich nicht wusste, ob ich den Titel nun auf Deutsch oder Englisch aussprechen sollte. Von außen sah das Heft sehr nach Junge Leute-Lifestyle aus, ein Genre, das mir normalerweise relativ fremd ist. Es sollte aber eine Zeitschrift sein, die das Leben in der Stadt behandelt, und da ich Städte unglaublich interessant finde und auch stadtplanerische Artikel darin zu finden waren, kaufte ich mir ein Exemplar. Das stellte sich schon bald als Fehler heraus, denn die Autoren nahmen scheinbar ihr Publikum nicht ernst. So waren die Artikel nicht wirklich ausführlich, die Texte strotzten vor sinnfreien Alliterationen und unnötigerweise verwendeten Synonymen und Metaphern. Die Texte wirkten nicht journalistisch hochwertig, da war ich in den anderen hier beschriebenen Heften aber anderes gewohnt. Tatsächlich bietet Central einen bunt gemischten Themenstrauß, der aber so bunt gemischt ist, dass nicht klar wird, wen es nun eigentlich ansprechen möchte, denn die stadtplanerisch interessanten Artikel interessieren möglicherweise nicht unbedingt die hippen Jugendlichen, aber wenn es um »Mode in der Stadt« geht, finden sich bei den Stadtplanern für diese Themen möglicherweise auch nicht nur Freunde. Insgesamt wächst durch die Kürze der Artikel doch die Gesamtzahl der Artikel doch stark an, als Leser sieht man sich einer Flut an vollständig unterschiedlichen Artikeln gegenüber. Mich hat das vom Lesen bisher abgeschreckt, die Artikel, die ich gelesen habe, waren es aber leider nicht wert.
Erwähnt werden muss auch noch, dass das Heft sehr neu ist, ich habe mir die Erstausgabe gekauft. Ein besonders furioser Start war das für Central zwar nicht, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Vielleicht findet das Heft ja irgendwann sein Profil und kann dann auch eine spezifischere Leserschaft ansprechen.
Fluter
Erstmals aufmerksam auf Fluter wurde ich durch die gleichnamige Internetseite. Dort veröffentlicht das Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung nämlich alle Artikel aus den Heften und auch noch zusätzliche Artikel, die sich nicht in den Heften finden lassen. Der Fluter erscheint vierteljährlich und hangelt sich jedes Mal an einem anderen Thema entlang. Das aktuelle Heft handelt vom Thema Afrika und ist wirklich unfassbar spannend. Die Themenauswahl gefällt mir sehr gut, ich weiß nun viele Dinge, von denen ich vorher nicht einmal geahnt hätte, sie einmal zu wissen. Die Artikel sind nicht so lang wie beispielsweise in Geo, aber sie sind gut geschrieben und trotzdem ausführlich.
Der Fluter ist übrigens kostenfrei zu beziehen, man kann sich für ein Abonnement auf der Internetseite anmelden, über die sich auch ältere Hefte nachbestellen lassen, ebenfalls kostenfrei. Bei kostenfreien Zeitschriften liegt die Messlatte an Qualität nicht sonderlich hoch, aber der Fluter hat sie bei weitem übertroffen.
Als ich den Fluter aus der Post nahm und sah, dass es sich hierbei um eine Ausgabe zum Thema Afrika handelte, war ich erst enttäuscht. Denn ich hatte das Gefühl, mich nicht wirklich für dieses Thema zu interessieren, schade eigentlich. Dennoch begann ich zu lesen. Und je mehr ich las, desto mehr interessierte ich mich plötzlich für das Thema. Das nächste Heft, so las ich in der Vorschau am Ende des aktuellen Fluter, wird das Thema Gene behandeln − und auch das klingt wieder so spannend, dass ich mich schon sehr auf das nächste Heft freue.
Renaissance?
Alles schön und gut, aber was hat denn dieser Artikel mit einer Renaissance der Zeitschriften zu tun, wie im Titel so verheißungsvoll angekündigt wurde? Nun, je mehr Zeitschriften ich lese, je mehr Erstausgaben ich am Kiosk entdecke, je mehr ich mich in gut geschriebenen Reportagen verliere, desto weniger glaube ich an ein Sterben der Printbranche. Ich habe mich über mein neues Hobby des Zeitschriftenlesens mit vielen Leuten unterhalten und festgestellt, das insgesamt ein großes Interesse an guten Zeitschriften besteht.
Während ich und auch meine Gesprächspartner immer weniger Tageszeitungen lesen, die quasi von Nachrichtenapps und sozialen Netzen ersetzt wurden, herrscht weiterhin eine große Nachfrage nach Zeitschriften, die vielleicht nur einmal im Monat erscheinen. Die Befragten gaben an, lieber gedrucktes Wort als Bildschirmtext zu lesen, gerade bei längeren Texten. Wenn daher der Printbranche der Tod vorhergesagt wird, möchte ich einhaken: Die Tageszeitung als »schnelles« Informationsmedium mag vielleicht aussterben. Aber Zeitschriften werden weiterleben, vielleicht sterben sie langsamer, doch ich denke, dass gerade die vielen Neuerscheinungen von Zeitschriftentiteln ein ganz klares Zeichen für das Weiterbestehen von Zeitschriften sind.
Und ich meine, seien wir mal ehrlich, es würde auch eine Menge guter Text verloren gehen.