Das Wetter ist längst nicht mehr so heiter wie am Tag zuvor, als ich zu meiner letzten Reiseetappe aufbreche. Diesmal fahre ich vom Trierer Hauptbahnhof nicht mit dem Zug ab, sondern mit dem Bus, denn die Strecke von Trier nach Euskirchen durchs Kylltal ist immer noch wegen der Hochwasserkatastrophe gesperrt. Also fährt ein Ersatzbus, drei Stunden lang. Eine Chance, die Landschaft etwas ausführlicher zu studieren. Bei besserem Wetter wäre es sicher schön gewesen, und das Kylltal ist bestimmt ganz hübsch, aber nach einiger Zeit habe ich mich daran satt gesehen.
In Euskirchen geht es in einen vollen Zug, die Landschaft wird deutlich flacher. Mir fällt auf, dass ich es mitten in den Kölner Freitagsfeierabendverkehr geschafft habe. Und so wird der Zug, der mich von Köln nach Münster bringt, der vollste meiner ganzen Reise.
Umsteigen in Osnabrück. Langsam erkenne ich die Landschaft wieder. Die Namen der Bahnhöfe kommen mir wieder bekannt vor. Je näher ich meinem Ziel komme, desto mehr wächst die Vorfreude. Schließlich die Fahrt über die Weser und dann ist es da: Bremen. Zu jedem Ort, jeder Straße schießen mir Erinnerungen in den Kopf, ich bin wieder zu Hause.
15 Bundesländer habe ich auf meiner Reise betreten, alle außer Thüringen. Was nicht gegen Thüringen sprechen soll, es lag nur einfach nicht auf meiner Reiseroute. 16 Orte habe ich länger besucht, ich bin mit 43 Zügen gefahren und habe die polnische Grenze und fast auch die französische Grenze übertreten. Was wird davon bleiben?
Zunächst einmal sind das sehr viele Eindrücke gewesen, teils in sehr kurzer Zeit. Gerade zum Ende meiner Reise habe ich immer häufiger bemerkt, wie wenig mich manche Städte und ihre Anblicke noch bewegt haben. Es ist vollkommen klar, dass das Erkunden von Städten Zeit braucht. Zeit, die ich nicht immer hatte. Manchen Orten habe ich nur wenige Stunden eingeräumt, anderen einen halben Tag. Und selbst das reicht meistens nicht aus. Die Eindrücke, die ich in meinen Reiseberichten geschildert habe, konnten deshalb nur an der Oberfläche kratzen.
Viele dieser Orte sind deshalb jetzt auf meiner imaginären Reiseliste gelandet. Ich möchte mir sie noch einmal anschauen, dann aber mit genügend Zeit.
Häufig hatte ich vorher überhaupt kein Bild von meinen Reisezielen. Ich hatte keinen Reiseführer dabei und habe mich vorher auch nicht im Internet informiert. Der erste Eindruck war immer spontan. Deshalb kann es gut sein, dass ich an einigen Stationen meiner Route wichtige Sehenswürdigkeiten übersehen habe und deshalb auch nichts davon in meinen Reiseberichten gelandet ist.
Was habe ich gelernt? Welche Erkenntnisse ziehe ich aus dieser Reise?
Deutschland ist schöner als gedacht. Gerade in Norddeutschland vergisst man schnell, wie hübsch es in anderen Ecken des Landes sein kann. Natürlich gibt es, gerade im Westen, auch einige verunstaltete Innenstädte, aber längst nicht überall.
Dennoch fällt auf, dass gerade im Osten die Städte meiner Reiseroute meist viel intakter waren als die im Westen. Einerseits wurden Städte wie Görlitz und Halle im zweiten Weltkrieg nicht besonders stark zerstört. Andererseits wurde auch nicht ohne Not wertvolle historische Bausubstanz abgerissen. Chemnitz ist da sicherlich eine Ausnahme, wobei die großen Abrisse hier vor allem nach der Wende stattfanden. Im Westen dagegen wurden in der Nachkriegszeit als unmodern wahrgenommene Altbauten und kriegsbedingte Baulücken durch Neubauten ersetzt. Es wäre undifferenziert zu sagen, dass dabei nur unschöne Bauten entstanden wären, ganz im Gegenteil. Aber es wurde hart mit der Vorkriegsarchitektur gebrochen. Das kann in Teilen reizvoll sein. In meinen Augen kommen durch diese Mischung aber beide Architekturstile nicht voll zur Geltung. Die eigentlich schöne Stadt Heidelberg hat in meinen Augen sehr unter der Bausubstanz zwischen Bahnhof und Fußgängerstraße zu leiden. Andererseits kann eine Mischung auch gut funktionieren, wie in Chemnitz oder Mannheim.
Es gibt so viel zu sehen in Deutschland! Fast gänzlich ausgelassen bei meiner Reise habe ich Klein- und Mittelstädte. Ich finde es spannend, Orte zu entdecken, die vielleicht auch allgemein eher unbekannt sind. Insofern wäre eine Wiederholung dieser Reise mit anderen, vielleicht auch kleineren Zielen bestimmt lohnenswert.
Andererseits sehe ich auch den Wert einer Reise mit festem Ziel. Wie bereits oben beschrieben, kann man sich einem Ort viel besser nähern, wenn man viel Zeit dafür hat.
Nun, da ich wieder zu Hause angekommen bin, bemerke ich die Erweiterung meines Horizonts ganz deutlich. Wenn ich nun durch Bremen laufe, kann ich es viel besser mit anderen Städten vergleichen. Ich sehe, was Bremen fehlt, aber auch was Bremen anderen Städten voraus hat.
In Bremen fehlt es an Plätzen, gerade außerhalb der Innenstadt. Ein Platz muss dabei nicht nur eine gepflasterte, weitgehend ungenutzte Fläche sein. Mannheim und Görlitz etwa haben an vielen Stellen der Stadt kleine Grünflächen mit Sitzgelegenheiten eingerichtet. In Bremen ist das eher selten anzutreffen. Kleine Büdchen, die fest an einem Ort stehen und zum Beispiel Kioske oder Imbisse enthalten, fehlen in Bremen fast vollständig. Und ich habe nun verstanden, weshalb Bremen auf Auswärtige häufig so klein wirkt. In nahezu allen Städten, die ich auf meiner Reise besucht habe, waren die Häuser im Durchschnitt ein bis zwei Stockwerke höher als in Bremen, auch in Städten mit deutlich weniger Einwohnern.
Und auch um das Thema der Coronapandemie komme ich nicht ganz herum. Im Osten, gerade in Sachsen, trugen die Menschen im öffentlichen Nahverkehr ihre Mund-Nasen-Bedeckung sehr viel weniger gewissenhaft, teilweise auch gar nicht. Das hat nichts mit dem Alter zu tun. Selbst Schülerinnen und Schüler setzten ihre Masken absichtlich so auf, dass die Nase nicht und der Mund nur unvollständig bedeckt waren. Als ich später im Südwesten Deutschlands unterwegs war, saßen die Masken fast immer einigermaßen korrekt.
In meinem ersten Beitrag schrieb ich noch von einem möglicherweise bevorstehenden Bahnstreik. Der hätte meine Reise bestimmt erschwert, war aber nach einigen Tagen kein Thema mehr. In Chemnitz erreichte mich die gute Nachricht, dass sich GdL und Deutsche Bahn nun geeinigt hätten. Ein Glücksfall für mich und viele Bahnreisende, aber natürlich auch für viele Beschäftigte bei der Deutschen Bahn.
Ich bin froh, dass ich diese Reise unternehmen konnte und gleichzeitig freue ich mich über das rege Interesse an meinen Reiseberichten. Vielleicht habe ich der einen oder dem anderen Inspirationen zu eigenen Reisen liefern können oder einfach nur gute Unterhaltung geboten. Ich bedanke mich bei allen Leserinnen und Lesern, die mich auf dieser Reise begleitet haben.
In Bremen angekommen laufe ich wie ein Tourist durch die Stadt, klappere alle wichtigen Sehenswürdigkeiten einmal ab. Ja, auch hier ist es schön. Ich schlendere hinüber zum Schnoor und bestelle mir in einem Restaurant eine lokale Spezialität, das Bremer Labskaus. Ist doch schon ganz nett, so eine Reise.