Die Fahrt von Mainz nach Saarbrücken ist eine der schönsten meiner bisherigen Reise. Der Zug fährt durch Weinberge und -felder erst am Rhein entlang und schließlich durchs Nahetal. Die Eisenbahnstrecke windet sich gemeinsam mit dem Fluss durchs Tal, mal direkt daneben, mal fünfzig Meter darüber. Wir fahren am Hang, durch Tunnel und dabei kann ich wunderbar auf die hübschen kleinen Orte schauen, die ebenfalls vorbeiziehen. Besonders fällt mir Idar-Oberstein auf. Nicht nur wegen der aktuellen Nachrichtenlage (Ein radikaler »Querdenker« hat einen jungen Tankstellenmitarbeiter erschossen, der ihn auf die geltende Maskenpflicht aufmerksam gemacht hat.). Die selbstbezeichnende Nationalparkstadt sieht aus, als wäre sie einen Besuch wert. Nur habe ich leider nicht die Zeit dafür.
Das Nahetal führt bis ins Saarland und hier gibt es für mich eine Premiere zu feiern. Ich bin bis zu diesem Zeitpunkt in jeden deutschen Bundesland schon einmal gewesen. Außer im Saarland. Es hat sich bislang nie ergeben. Daher soll das erste Ziel des heutigen Tages, Saarbrücken, mir einen ersten Eindruck von diesem Bundesland verschaffen.
Ich laufe aus dem »Eurobahnhof« Saarbrücken heraus und in die Fußgängerstraße direkt gegenüber hinein. Der erste Eindruck der Stadt ist ein gemischter. Die Fußgängerstraße zieht sich, ähnlich wie in Heidelberg, sehr in die Länge, ist aber nicht wirklich schön anzusehen. Dafür sind die französischen Einflüsse ganz klar zu erkennen. Ich laufe an Brasserien vorbei, sogar die Restaurantkette Alex bezeichnet sich hier so. Viele Hinweistafeln und Wegweiser sind in deutscher und französischer Sprache ausgeführt und später in der Straßenbahn sind die Ansagen ebenfalls zweisprachig. Aber auch beim Schlendern durch die Stadt fällt auf, wie viele Menschen hier französisch sprechen. Das verwundert nicht, liegt doch Saarbrücken nicht weit von der französischen Grenze. Davon ist die Stadt, und wenn man Erzählungen glauben mag auch das ganze Saarland, stark geprägt.
Die Imbisskultur in Saarbrücken scheint mir etwas gewöhungsbedürftig. In der Hoffnung, eine lokale Spezialität zu probieren, ordere ich bei einem Imbiss »Saarbrückener Klops aus der Soße im Doppelweck«. Ich weiß bis jetzt nicht wirklich, was das ist. Der Klops besteht aus sehr viel Fleischbrät, ähnlich wie bei Fleischwurst oder Leberkäse, die Soße muss wohl gestreckter Curryketchup sein und der Doppelweck sind zwei zusammenhängende Brötchen. Es ist eine sehr große Portion, bestimmt richtig ungesund und nach fünf Bissen auch nicht mehr lecker. Vielleicht hätte ich es schon des Namens wegen besser wissen sollen.
Inzwischen bin ich die Fußgängerstraße eine halbe Ewigkeit heruntergelaufen und langsam wird es schön. Es gibt wohl doch ein historisches Stadtzentrum. Hier gibt es alte Häuser, Kirchen, Plätze. Hätte ich weniger Zeit gehabt, mein Eindruck von Saarbrücken wäre deutlich schlechter gewesen.
Ein wenig Zeit bleibt noch, bis mein Zug geht. Also laufe ich hinunter zum Flussufer, an die Saar. Doch entspannt ans Ufer setzen ist nicht ohne weiteres möglich. Theoretisch schon, es gibt Bänke, eine kleine Uferpromenade mit schattenspendenden Bäumen, viel Grün. Und auf der anderen Uferseite eine Autobahn. Ja, richtig gelesen. Ich weiß nicht, wer in Saarbrücken es einmal für eine gute Idee hielt, die Autobahn mitten durch die Stadt, direkt ans Ufer der Saar zu bauen. Es gibt keinen Lärmschutz, es sieht nicht besonders schön aus, es ist laut. Und tritt die Saar mal über die Ufer, muss die Autobahn gesperrt werden. Diese Lösung produziert nur Verlierer auf allen Seiten. Ein wenig desillusioniert gehe ich zurück zum Bahnhof.
Die nächste Zugfahrt führt mich durchs Saartal, das nicht ohne Grund ein viel gefragtes Postkartenmotiv ist. Der Fluss schlängelt sich hin und her und irgendwo hier muss auch die berühmte Saarschleife sein.
In Trier verlasse ich für heute zum letzten Mal den Zug. Es ist hochsommerlich warm, ja eigentlich heiß. Von den Temperaturen fühle ich mich an Italienurlaube erinnert. Oder liegt das vielleicht an Trier selbst?
Vom Bahnhof aus laufe ich ungefähr zehn Minuten, dann sehe ich auch schon das berühmte Wahrzeichen der Stadt, die Porta Nigra. Wenn ich in meinen Reiseberichten von historischen Gebäuden sprach, waren diese meist zwischen 100 und 150 Jahre alt. Dieses Stadttor dagegen ist wirklich historisch. Ab dem Jahr 170 nach Christus erbaut, blickt es auf eine so lange Geschichte zurück, wie wohl kaum ein Bauwerk in Deutschland. Nicht ohne Grund bezeichnet sich die frühere Römerstadt Trier auch als älteste Stadt Deutschlands.
Das zieht natürlich viele Touristen an. Und ich bin einer von ihnen, das ist klar. Aber wie es eben so ist, Touristen mögen es nicht, wenn sie das Gefühl haben, nur unter ihresgleichen zu sein. Wenn alles nur auf sie ausgerichtet ist, wo bleibt dann noch das Echte, das Authentische?
Trier ist zugestopft mit touristischen Reise- und Stadtrundfahrtsbussen. In der Fußgängerzone kann man viel touristischen Kleinkram kaufen. Das trübt mein Bild der Stadt. Dafür gibt es einige wirklich schöne Ecken in der Stadt, die allerdings von den weniger schönen Ecken wieder aufgewogen werden. In den letzten Tagen waren es oft vor allem die großen, teils ehemaligen großen Kaufhäuser, die eine eigentlich schöne Innenstadt besudelten. In Trier ist es ebenso.
Ich laufe zur Mosel und der Anblick versöhnt mich gleich wieder. Man kann ewig weit direkt am Fluss entlanglaufen. Auf der anderen Seite liegt diesmal keine Autobahn, sondern Häuser, die sich an den teils offenen Felsenhang drücken. Hier lässt es sich aushalten, und so setze ich mich auf eine Bank am Fluss, bis es Abend wird.