Donald Trump wird Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und große Teile der restlichen westlichen Welt, also vor allem Europa, sehen fassungslos zu, wie dieser Mann, der alle Regeln bricht, alle Regeln bricht. Es ist nicht nur seine Skepsis gegenüber Bündnissen jeglicher Art, es sind auch nicht nur seine börsenbeeinflussenden Twittermeldungen, die ihn auf ungeheuerliche Art berechenbar unberechenbar wirken lassen. Was bedeutet das eigentlich für Deutschland und Europa?
Seit der Westorientierung Konrad Adenauers war klar, dass sich Westeuropa an den USA orientiert. Und die USA wiederum gefielen sich ebenfalls in dieser Rolle des Friedensbringers, Retters, Aufbauers und starken Partners. Nach dem Fall des eisernen Vorhangs und dem EU-Ostanschluss fiel die Orientierung des Kontinents wieder auf die andere Atlantikseite. Die USA, vor allem durch die NATO, sicherten insbesondere Osteuropa militärische Unterstützung für den Ernstfall zu, wobei unter Ernstfall vor allem ein Einfall Russlands in fremde Gebiete gemeint war.
In den letzten Jahren ließ sich eine immer stärkere Radikalisierung der russischen Regierung unter Präsident Wladimir Putin erkennen. Nach der Entfernung von den anderen europäischen Staaten und insbesondere der EU, war ein immer angespannteres Verhältnis zu spüren. Auch die Menschenrechtssituationen im eigenen Land wurden Russland weltweit vorgeworfen – der Fall »Pussy Riot« ist auch heute noch ein läufiger Begriff. Nach großen Demonstrationen gegen Wahlmanipulationen im Jahr 2012 zog Russland die Schrauben noch einmal deutlich an. Und auch die Krim-Annexion ist international nicht unumstritten. Insgesamt also kein besonders vertrauenswürdiger Partner.
Auch, wenn einige Aktionen der USA bisher auch in Europa auf Kritik stießen, behielten sie dennoch ihren Status als großen Partner. Damit könnte jetzt Schluss sein. Trump möchte raus aus der NATO, kritisiert Institutionen der Vereinten Nationen und findet es gut, wenn die Europäische Union zerbricht – das klingt nicht mehr nach dem Partner, den die USA lange Zeit darstellten.
Inzwischen haben die ersten europäischen Politiker begriffen, dass man sich von einem Donald Trump nicht abhängig machen kann. Europa muss endlich lernen, auf eigenen Beinen zu stehen. Weder Trump noch Putin bilden noch die Voraussetzungen für eine gute internationale Partnerschaft, die mit den Werten einhergeht, die Europa für sich definiert hat.
Wir sehen Europa derzeit in einer Krise. Viele seiner Bewohner scheinen das Vertrauen in ihren Kontinent und seine Institutionen verloren zu haben. Die weit rechten Parteien erstarken und schüren durch ihre Indokrination Ängste in der Bevölkerung. Eine europäische Identität dagegen, die das Gemeinsame sucht und nicht das Unterschiedliche, muss man heute allerdings noch lange suchen. Wenn es diese europäische Identität schon heute gibt, ist sie zumindest nur einem kleinen Teil von Leuten vorbehalten.
Traurig, aber wahr ist, dass sich Gruppen insbesondere dann zusammenschweißen, wenn ein gemeinsames Feindbild existiert. Das kann man gerade bei den weit rechten Gruppierungen schon heute gut sehen. Was aber, wenn die Europäer zusammenwachsen, weil sich der Kontinent zum ersten Mal selbst behaupten muss? In der Mitte zwischen Russland und den USA liegend, aber mit beiden seine Probleme habend, könnte diese neue amerikanische Präsidentschaft, die mit europakritischen Worten einhergeht, zur Chance für das europäische Projekt werden. Das dürfte Trump nicht gefallen, aber wer extreme Meinungen vertritt, erntet auch extreme Gegenreaktionen.
Insofern bleibt zu hoffen, dass, erstens, Europa an den richtigen Stellen die richtigen Schritte aus dieser neuen internationalen Situation zieht und dass, zweitens, die Weltpolitik auch unter Donald Trump nicht aus den Fugen gerät. Wir sehen schon heute in Schottland und Nordirland große Bewegungen, die sich gegen einen Brexit stellen. In Island und der Schweiz gibt es ernsthafte Überlegungen, der EU beizutreten. Vielleicht sind wir einem geeinten Europa so nah wie nie zuvor.