Die Zeit, die wir jetzt, im April 2020 erleben, ist eine ziemlich besondere. Unser öffentliches Leben ist im Augenblick heruntergefahren, so weit es eben geht. Es herrscht eine Kontaktbeschränkung, nach der es verboten ist, dass mehr als 2 Menschen gemeinsam draußen unterwegs sind oder sich in Häusern treffen. Alle sind angehalten, mindestens 1,5 oder 2 Meter Abstand zueinander zu halten. Hashtags wie #StayHome machen auch den Letzten noch klar, dass sie am besten ihr Leben komplett in den eigenen Wohnsitz verlagern. Das Land entdeckt die Chancen, die im Homeoffice stecken, Schulen und Universitäten müssen riesige Schritte der Digitalisierung innerhalb von Wochen oder Monaten nachholen. Läden und Restaurants müssen geschlossen bleiben, außer Geschäfte, die zur Grundversorgung unabdingbar sind. Und die Medien berichten über ein einziges Thema in Dauerschleife.
Unter anderen Umständen wäre diese Situation etwas, das wir so nicht hinnehmen wollen würden. Hier werden elementare Grundrechte eingeschränkt, trotzdem sind die meisten Menschen mit diesen Maßnahmen einverstanden.
Denn schon seit Ende 2019 breitet sich ein Virus über die Welt aus. Angefangen von einem Tiermarkt im chinesischen Wuhan über Umwege von Asien nach Europa, Amerika, Australien, Afrika. Täglich können wir dieser Tage neue Zahlen verfolgen. Wir sehen immer höher steigende Zahlen von Infizierten. Inzwischen immerhin auch höhere Zahlen von Immunen. Und leider auch die immer weiter wachsende Zahl von Toten.
Die »Coronakrise« ist bei weitem nicht die erste Krise, die Deutschland, Europa und die Welt ereilt. Schon im vergangenen Jahrzehnt gab es eine Finanzkrise, eine Eurokrise und eine Flüchtlingskrise. Man sollte also meinen, wir hätten inzwischen einen Umgang damit gefunden. Aber während die Finanz- und Eurokrise an den meisten Menschen hierzulande noch relativ spurlos vorübergegangen ist und die Flüchtlingskrise, die ja im Grunde genommen noch gar nicht vorüber ist, durchaus sichtbare Spuren hinterlassen hat, war auf Corona wirklich niemand vorbereitet.
Wir können von Glück reden, dass das auf Gewinn optimierte deutsche Gesundheitssystem bisher so gut mit den Coronafällen umgehen konnte.
Trotzdem offenbart diese Krise die Schwächen unserer derzeitigen Systeme – nicht nur im Gesundheitsbereich. Andere Länder stehen nichtsdestotrotz weitaus schlechter da. In den USA breitet sich das Virus immer weiter aus, dort ist das Gesundheitssystem vollständig privatisiert und große Teile der Bevölkerung sind nicht oder nur unzureichend krankenversichert. In Italien sterben massenhaft Menschen, weil die Krankenhäuser in Teilen des Landes deutlich schlechter ausgestattet sind. Bisher ist das Coronavirus noch nicht im großen Stil in ärmeren Ländern Afrikas oder Südamerikas ausgebrochen. Wahrscheinlich erwarten uns auch dort noch große humanitäre Krisen.
Draußen sieht alles normal aus. Außer im Supermarkt.
Vor der eigenen Haustür ist dann aber doch alles erschreckend normal. Niemand läuft mit Pestbeulen durch die Gegend, alle Leute sehen so aus wie sonst. Natürlich hält jeder Abstand, die Straßen und Wege sind deutlich leerer als sonst. Es fliegen keine Flugzeuge mehr. Auf den ersten Blick könnte einfach nur ein etwas menschenleerer Sonntag sein. Ein Ort, der sich wirklich verändert hat, ist der Supermarkt. Und es ist unerheblich, von welchem Supermarkt ich spreche, denn es betrifft alle Supermärkte. Mindestens in Deutschland, sicherlich in Europa, vielleicht sogar weltweit. Es wird Desinfektionsmittel verteilt, Menschen ziehen textile Mundschütze über, auf dem Boden sind Aufkleber angebracht, die zum Abstand halten aufrufen. An den Kassen sind Linien aufgeklebt, damit man sich gegenseitig nicht zu nahe kommt.
Und nach einiger Zeit der Kontaktbeschränkung macht sich bemerkbar, wie wichtig die direkten Begegnungen von Mensch zu Mensch eben doch sind. Wenn Netflix zu Ende geschaut, die Musiksammlung zum zwölften Mal durchgehört und alle ungelesenen Bücher fertig sind, und nicht nur dann, sehnt man sich ab und zu schon nach größeren Gruppen, nach Grillen im Park, einem gemeinsamen Abend in der Bar oder einem gemütlichen Essen im Restaurant.
Können wir Corona nicht auch als Chance begreifen?
Trotzdem bietet diese nie dagewesene Situation auch eine Chance. Vielleicht können wir so unsere Lebensentwürfe, unseren ehemaligen Alltag, einmal grundsätzlich infrage stellen. Es ist Zeit für Gedankenspiele: Was wäre wenn …? Nach Corona kann unsere Gesellschaft, unser Leben, unsere Welt eine ganz andere sein. Wir haben die Gelegenheit, diese Veränderungen mitzugestalten. Vielleicht ist das Homeoffice auch in Zukunft eine ganz interessante Möglichkeit, die sich in den Unternehmen immer weiter durchsetzt. Vielleicht können wir auf viele Reisen, die nicht unbedingt nötig sind, vor allem im geschäftlichen und im politischen Bereich, verzichten. Vielleicht bleibt die Freundschaft, die sich in dieser Zeit zu den Nachbarn entwickelt hat, auch nach Corona bestehen. Und vielleicht sind noch weitreichendere Utopien gar nicht mehr so weit von der Umsetzung entfernt.
Ja, Corona ist schlimm. Wir können an dieser Stelle versuchen, das beste daraus zu machen. Bleibt gesund!