Gestern habe ich übrigens einen Ausflug in die Weiten Mecklenburg-Vorpommerns gemacht, einfach, weil ich mir bisher unter diesem Bundesland nie etwas vorstellen konnte. Und weil ich irgendwann durch Zufall erfahren hatte, dass das Länder-Ticket für MV (so nennen es die Coolen) schon ab Hamburg gültig ist, blieb der Spaß auch finanziell überschaubar. Leider war der Tag eher neblig und grau, teils mit leichten Regenschauern, was die Aussicht leider etwas, aber eben nur etwas, einschränkte.
Kurz bevor der Zug die Grenze zwischen Schleswig-Holstein und MV überquerte, stellte ich mir die Frage, ob man die Ost-West-Mauer-in-den-Köpfen denn auch in der Wirklichkeit sehen kann. Zum Beispiel bezogen auf Landschaft, Architektur, aber auch auf die Fahrgäste im Zug. Landschaftlich war die Grenze erst gar nicht wahrnehmbar.
Die Bahnhofsgebäude im Osten befinden sich oft in einem erbärmlichen Zustand.
MV ist vom selben Flachland geprägt wie der Rest Norddeutschlands. Architektonische Unterschiede waren aber sehr schnell zu erkennen. Während die niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Orte mir zu Beginn ganz normal vorkamen, bemerkte ich erst im Kontrast zu MV, wie herausgeputzt sie doch waren. Sehr gut konnte man das an den Bahnhofsgebäuden erkennen. Gut, in Westdeutschland sind ein Großteil der Bahnhofsgebäude irgendwann abgerissen worden, aber wenn es sie noch gibt, sind sie meist vermietet (oder werden in seltenen Fällen noch von der Bahn genutzt), sehen toll aus und erinnern an längst vergangene Bahnzeiten. In Ostdeutschland wurden die Bahnhofsgebäude nur selten abgerissen, meistens stehen sie immer noch da, befinden sich aber in einem erbärmlichen Zustand. Oft sind die Fenster eingeworfen oder mit Holz vernagelt. Der Putz oder Klinker bröckelt. Dabei sind diese Bahnhofsgebäude oft wirklich sehr schön – oder wären es, wenn man sich besser um sie kümmerte.
Doch leider sind die Bahnhofsgebäude nicht die einzigen Häuser, die verfallen aussehen. Die architektonische Grenze zwischen Ost und West zeigt sich vor allem in der Menge der verlassenen oder heruntergekommenen Gebäude. Aber kommen wir zu den Menschen. Als ich im vergangenen Jahr nach Thüringen reiste, war schon am Dialekt der Menschen zu hören, wo der Osten begann. In MV ist das anders, die norddeutsche Sprechweise hat zwar von Region zu Region leicht unterschiedliche Klangfarben, doch im Grunde genommen klangen die Menschen in Schwerin fast genau wie die in Bremen. Womit wir schon direkt bei meinem ersten Reiseziel wären.
Schwerin! Was für ein Schloss!
Schwerin ist eine ganz wunderbare Stadt, die vor allem im Zentrum aus einer Menge Altbauten besteht. Vom Hauptbahnhof aus kann man direkt zu Fuß eine Straße hinunterlaufen und in die gemütliche Fußgängerzone einbiegen. Doch die Fußgängerzone war nicht der Grund, weshalb ich Schwerin besuchen wollte. Der Grund war das Schloss. Und meine Güte, dieses Schloss ist wirklich toll! Ich hatte mich tatsächlich bislang von keinem Schloss der Welt wirklich begeistern lassen, vielleicht musste erst das richtige kommen. Aber es war Liebe auf den ersten Blick! Das Schloss Schwerin, praktischerweise am Ende der Schlossstraße platziert, präsentierte sich mir hinter einer Straßenbiegung. Und als ich es sah, konnte ich nicht an mich halten. Ich musste stehen bleiben und laute Ausrufe meines Erstaunens und meine Freude ob dieses Bauwerkes von mir geben. Sicherlich dachten sich die Passanten ihren Teil dazu, aber ich war so fasziniert von diesem Anblick, dass ich einfach nicht anders konnte. Den Blick fest an die vielen Fenster und die Brücke und den See ringsherum geheftet, lief ich auf das Schloss zu, einmal halb herum und kam aus meiner Begeisterung kaum heraus. Wie glücklich muss ein jeder Abgeordneter des dortigen Landtages sein, die eigene Arbeit in diesem wunderbaren Bauwerk zu vollrichten!
Direkt hinter dem Schloss, auf einer weiteren Insel, befindet sich eine weitläufige Parklandschaft, die ich aber, auch des Wetters wegen, nicht ganz so eingehend begutachten konnte. Das werde ich wohl später nachholen müssen.
Schwerin verfügt, was mir sehr wichtig ist, über ein Straßenbahnsystem, und das wollte erkundet werden. Also setzte ich mich in einen Straßenbahnwagen hinein und fuhr an den Rand der Stadt in eine Plattenbausiedlung. Vielleicht lag es am Wetter, vielleicht sieht es dort aber auch im schönsten Hochsommer trostlos aus. Die wenigsten Häuserblocks waren saniert, bei vielen bröckelten Putz und Farbe, bei einem Gebäude waren die Fenster eingeworfen. Der Spielplatz war durch große Graffitibuchstaben verunstaltet, es begann leicht zu regnen. Eines fiel mir aber sofort auf. Neben den üblichen Läden (leider vor allem Kik und Tedi), gab es fast an jeder Ecke einen Asia-Imbiss. Später, in der Innenstadt zurück, entdeckte ich sogar einen kombinierten Asia- und Döner-Imbiss. Asia-Imbisse scheinen wohl vor allem in Plattenbausiedlungen verbreitet zu sein, denn auch in Leipzig und später auch in Rostock waren sie in den entsprechenden Siedlungen überproportional oft anzutreffen.
Aber bevor ich auf Rostock zu sprechen komme, muss hier noch einiges angemerkt werden. Die Bahnstrecke zwischen Schwerin und Rostock war teilweise gesperrt, zwischen Schwerin und einem Ort namens Bad Kleinen fuhren Ersatzbusse. Nun ist Bad Kleinen wirklich sehr deskriptiv zu verstehen, liegt es doch sowohl an einem See und ist doch auch ein sehr kleiner Ort, dem nur durch den Ersatzverkehr und einem etwas größeren Bahnhof zu etwas Ruhm verholfen wurde. Ab hier wurde es dann etwas hügeliger. Die Landschaft erinnerte mich an Westpolen, auch hier kann man oft sehr weit blicken und die Felder sind wie ein Meer leicht und unregelmäßig, aber doch wahrnehmbar gewellt. Die Weite der Landschaft wurde leider durch Nebelschwaden verdeckt, aber was ich sah, gefiel mir doch. Die Zugfahrt führte vorbei an einigen Seen, bis wir schließlich in Rostock ankamen.
Wer nur die Nordsee kennt, wird die Ostsee immer schön finden.
Auch dort setzte ich mich sofort in eine Straßenbahn, die mich in einen Stadtteil mit dem kuriosen Namen Lütten Klein brachte und dann weiter nach Lichtenhagen, beides übrigens auch Plattenbausiedlungen mit guter Asia-Imbiss-Versorgung. Von der Endhaltestelle der Bahn ging es dann mit dem Bus weiter nach Warnemünde. Nachdem auch der Bus seine Endstation erreicht hatte, fand ich mich auf einem Parkplatz mit einer Fischbrötchenbude wieder. Mit einem Bismarckbrötchen bewappnet, lief ich nach Norden, nur einige hundert Meter, bis ich am Ostseestrand stand. Natürlich war es noch immer kein schönes Wetter, aber wenn man die Nordsee gewohnt ist, kann auch das schlechteste Wetter sein und die Ostsee ist wunderschön. Kein flaschengrünes Wasser erwartete mich, nein, hier war es schon fast bläulich! Vergnügt spazierte ich am Strand entlang, am Leuchtturm vorbei, beobachtete Schiffe, die aufs Meer hinausfuhren und dachte mir, dass ich nicht damit gerechnet hatte, an diesem Tag noch einmal das Meer zu sehen.
Dieser Tagesausflug hat sich in jedem Falle gelohnt! Jetzt bin ich angefixt, ich will mehr sehen. Vielleicht treibt es mich beim nächsten Mal nach Wismar, Stralsund oder Greifswald. Eines ist jedenfalls sicher – Ich komme wieder!