Vergangenen Freitag haben Bremer Aktivisten von Fridays for Future erstmals einen 15-Punkte-Plan an den Senat vorgestellt. Dieser enthält teils radikale Forderungen. Währenddessen werden die Demonstrationen jede Woche größer.
Am einem grauen Vormittag Ende April stehen vor dem Bremer Hauptbahnhof nicht nur die Buden der Bürgerparktombola. Etwa 500 Schüler warten vor einem schwarzen Demowagen, aus allen Richtungen kommen weitere Teilnehmer mit der Straßenbahn angefahren. Eigentlich hätten die Schüler an diesem Freitag Unterricht, aber heute haben sie etwas wichtigeres vor.
„Wir schwänzen nicht, wir kämpfen!“ steht auf einem der vielen selbstgemalten Pappschilder, die von der Menge in die Luft gehalten werden. Hier findet, laut Aussage der Organisatoren, ein Bildungsstreik statt: Fridays for Future, mitten in Bremen.
„Am Samstag zu protestieren, würde keine Aufmerksamkeit bringen“
„Wir sind hier, weil uns der Klimawandel wichtig ist“, sagt ein Siebtklässler. Seine Mutter hat ihm eine Entschuldigung für die Schule geschrieben, damit es keine Probleme gibt. Stattdessen den Zeitpunkt der Klimademonstration anzupassen, ist für ihn keine Lösung: „Wenn wir das am Nachmittag machen würden, dann würde es die Politiker weniger interessieren, als wenn wir wirklich streiken.“ Eine Neuntklässlerin pflichtet ihm bei: „Wenn wir am Samstag protestieren würden, dann würde es nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die es jetzt bekommt.“
Diese Aufmerksamkeit musste sich die Bremer Gruppierung von Fridays for Future zu Beginn hart erkämpfen. Am Anfang hätten einige Schüler eine kleine Mahnwache auf dem Marktplatz organisiert, berichtet Jenny Warlich vom Organisationsteam. Größer wurden die Demonstrationen dann im März, die Polizei sprach zeitweise von bis zu 5000 Teilnehmern.
„In der gesellschaftlichen Debatte absolut etwas verändert“
Am Bremer Hauptbahnhof setzt sich der Demonstrationszug in Bewegung. Vom Bahnhofsplatz aus geht es über die Sielwallkreuzung bis hin zum Marktplatz. Ein Rentner verfolgt das Geschehen vom Rande aus. Er ist begeistert von den vielen jungen Menschen auf der Straße: „Sie haben in der gesellschaftlichen Debatte schon absolut etwas verändert. Es gibt keine politische Partei oder politische einflussreiche Institution, die sich nicht mit dieser Demonstration auseinandersetzt.“
Auch Jenny Warlich sieht die große mediale Aufmerksamkeit ihrer Bewegung positiv. Die Teilneh-merzahlen steigen wöchentlich. „Von der Politik sieht man aktuell aber relativ wenig. Niemand versucht dort ernsthaft, unsere Forderungen zu erfüllen. Wir bekommen von linken Parteien viel Lob für das, was wir machen. Inhaltlich wird darauf leider nur sehr wenig eingegangen.“
Schüler fordern Kohleausstieg bis 2020
Und an Inhalt mangelt es bei Fridays for Future wahrlich nicht. Für Bremen fordern die Klimaaktivisten unter anderem einen landesweiten Kohleausstieg schon bis 2020, Bremen und Bremerhaven sollen bis 2030 autofrei sein, der Nahverkehr bis 2021 kostenfrei werden. Ginge es nach den Schülern, so wären auch Urlaubsreisende betroffen: Alle Flüge vom Bremer Flughafen mit einer Distanz von unter 600 Kilometern sollen gestrichen werden – aus Umweltaspekten.
Dass die Forderungen so radikal ausfallen, sei vor allem in der Politik begründet, die ihre Augen vor den Klimaproblemen verschließen würde, so schallt es vom Demowagen. Auf dem Marktplatz angekommen, beginnt es zu regnen. Doch die Schüler trotzen auch diesen klimatischen Bedingungen. Wie schätzen sie den Einfluss ihrer Demonstrationen auf die Bremer Politik ein? „Ich fürchte, dass dieser Einfluss nicht ganz so groß sein wird“, sagt ein älterer Oberstufenschüler. „Die meisten Leute hier sind ja noch zu jung, um an der Bürgerschaftswahl teilzunehmen. Aber ich hoffe auf jeden Fall, dass es eine Signalwirkung an die Politiker sein wird.“
Auch Eltern und Omas demonstrieren mit
Um diese Signalwirkung noch zu verstärken, möchte Fridays for Future nicht mehr nur auf Schüler und Studenten setzen. Im Demonstrationszug laufen auch einige Eltern und sogar Großeltern mit. Eine ältere Dame hält ein Schild mit der Aufschrift „Omas for Future“ in die Höhe. „Ich schäme mich, dass unsere Generation es nicht geschafft hat, mehr fürs Klima zu tun“, sagt sie. „Wenn man sich den Bremer Wahlkampf anguckt, ist das ja kaum zu glauben! SPD und CDU haben überhaupt kein Wort zum Klimawandel verloren. Diese Bewegung hat wirklich das Potenzial, mehr Menschen mit sich zu reißen.“
Mit ihrem 15-Punkte-Plan sieht Jenny Warlich sich und ihre Mitstreiter dafür auf dem richtigen Weg. „Wir haben uns auch über die Umsetzung unserer Forderungen Gedanken gemacht. Teilweise sind sie sehr radikal und eher schwierig umzusetzen, teilweise finde ich sie sehr realistisch. Wir können an dieser Stelle nicht viel mehr tun, es liegt wirklich an der Politik.“
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Onlinejournalismus – Glaubwürdigkeit und Ethik des Schreibens in Zeiten von Fake-News und Lügenpresse“ an der Universität Bremen.