Ich setze mich in den Bus. Hoffentlich fährt er auch dahin, wo ich hinmöchte. Ich fahre ja nicht oft Regionalbus und beim letzten Mal ist ja auch irgendwas schief gelaufen. Die Angst, am Ende Mitten im Nichts zu landen, steigt wieder hoch. Ich spreche mir Mut zu.
Jetzt, wo ich eine Fahrkarte für alle Busse, Straßenbahnen und Nahverkehrszüge habe, kann ich mir endlich auch mal Regionalbusfahrten gönnen. Ich fahre meist die ganze Linie ab, bis zur Endhaltestelle. Dort sollte optimalerweise ein Bahnhof stehen, denn dann kann man sich sicher sein, dass mindestens einmal in der Stunde ein Zug geht und man auch wieder von dort wegkommt. Mitten im Nichts ist das nicht so einfach möglich, dort hält ja oft nur einige Male am Tag der Bus.
Der Busfahrer ist freundlich gewesen, hat noch kurz mit mir geredet. Stadtbusfahrer nehmen sich gar nicht die Zeit. Wahrscheinlich kennen sich der Busfahrer und die Leute, sie haben bestimmt öfter etwas miteinander zu tun. Und so viele Regionalbuslinien gibt es ja auch gar nicht. Da trifft man sich schon mal.
Wir fahren los. Wohin fahren wir eigentlich? Nach Worpswede, stand außen dran. Worpswede also. Da kann man gut spazieren gehen. Die Künstlerkolonie. Mit vielen Galerien und Cafés. Lohnt sich bestimmt. Durch Bremen geht es, über Straßen, die ich nicht so oft sehe. Wir halten nicht überall, es dauert trotzdem eine halbe Stunde, bis wir »draußen« sind. Draußen, außerhalb der Stadt. Hinaus aufs Land.
Da kommt Lilienthal. Hier haben sie gerade die Straßenbahn neu gebaut. Das erste Mal, dass eine Straßenbahn Bremen und Niedersachsen verbindet. Das war besonders. Und ich war auf der Eröffnungsfeier.
Lilienthal ist schön. Viele alte Bäume reihen sich an der Straße und durch das dichte Blätterdach drängeln sich nur wenige Sonnenstrahlen. Es ist angenehm dunkel. Zur Ortsmitte hin werden die Bäume immer kleiner, immer jünger und es wird heller. Irgendwann verlassen wir Lilienthal am Falkenberger Kreisel, einem neu gebauten Kreisverkehr mit einem Straßenbahnwendekreis in der Mitte.
Nun sind wir auf dem Land. Endlich wirklich draußen. Soweit das Auge reicht, reihen sich Getreide- und Maisfelder, Felder mit Tieren drauf, ohne Tiere drauf. Und zwischen alldem schlängelt sich unsere Landstraße hindurch, bis nach Worpswede wird sie uns führen, bis ins Künstlerdorf. Die Sonne strahlt hell und man kann die Wärme bis durch das Busfenster spüren. Ab und zu kommen wir an kleinen Häuseransammlungen vorbei, die man schwerlich »Ort« nennen kann. Die Häuser sind meistens schön, fügen sich gut in die Landschaft ein, lassen noch ein bisschen Landleben spüren, falls es denn so etwas gibt.
Nun folgen größere Orte. Da! Da stand Worpswede auf dem Ortsschild. Und tatsächlich, wir sind angekommen. Nur, welche Haltestelle war denn das nochmal. Soweit ich weiß, wird der Bus auch noch bei der außerhalb liegenden Jugendherberge vorbeifahren. Jetzt erkenne ich langsam die Struktur von Worpswede wieder. Endlich da!
Ich steige aus. Mit mir fast alle anderen Fahrgäste. Scheinbar war ich nicht der einzige, der diesen Weg gewählt hat. Ich mache mich auf, Worpswede erkunden. Da ist die Straße mit den vielen Galerien und Cafés. Und dort hinten steht die Touristenzentrale. Worpswede hat seit einiger Zeit ein neues Corporate Design mit einem Kreis und einem Dreieck. Und da ist ein kostenfreier WLAN-Zugang bei der Touristenzentrale.
Jetzt schaue ich mir im Internet erst einmal an, was man denn hier so sehen kann. Ich erinnere mich noch an den Niedersachsenstein und den Weyerberg, also wird mein Spaziergang mich heute dorthin führen. Die Fußgängernavigation meines Handys zeigt mir den ungefähren Weg, jetzt weiß ich, wie ich laufen muss. Ich beende die Navigation und laufe jetzt nach meiner Erinnerung.
Mehrere Leute kommen mir entgegen, vielleicht Einwohner. Ich habe gehört, auf dem Land begrüße man sich, also grüße ich alle Leute, die mir entgegenkommen. Einige, besonders alte Leute, scheinen überrascht von dieser Geste zu sein, positiv überrascht. Ist das mit dem Gruß nur ein Gerücht? Oder machen das nur alte Leute? Mir ist das egal, wenn es gut ankommt, kann man das ja machen. Gerade, wenn man schon mal hier draußen ist.
Hinter einer Kurve und einem kleinen Wäldchen erscheint auch schon der Niedersachsenstein, von dem ich, als ich ihn zum ersten Mal sah, überrascht war, dass er so groß ist. Ich gehe die Treppe an einer Seite des Steines hinauf und blicke den Weyerberg hinab. Eine schöne Aussicht.
Über den Weyerberg gehe ich nun zurück nach Worpswede. Ein Café besuchen. Etwas kleines essen. Die Cafés sind nur von alten Leuten besetzt. Ich passe da wahrscheinlich nicht rein. Also gehe ich weiter und finde ein Bistro/Imbiss/Restaurant-Gemisch, in dem es Nudeln zu essen gibt. Nach einer kleinen Stärkung bin ich schon wieder pünktlich an der Haltestelle. Da steht ein Bus. Aber nicht der, den ich brauche. Der Bus fährt zu einem Ziel, von dem ich noch nie etwas gehört habe. Seltsam, ich habe mir doch extra eine Verbindung rausgesucht.
Der nächste Bus nach Bremen fahre erst in einer Stunde, erklärt mir der Fahrplan. Etwas missmutig setze ich mich auf eine Bank, um zu warten.
In der Gegenrichtung kommt plötzlich ein Bus nach Osterholz-Scharmbeck. Dort gibt es einen Bahnhof! Ich laufe, so schnell ich kann, hinüber und steige in den Bus.
Wieder sehe ich malerische Landschaften, so weitläufig, dass der Stadtmensch sich wundert, dass man überhaupt so weit blicken kann.
Mich wird der Abend noch nach Bremerhaven und schließlich zurück nach Bremen führen. Doch das ist eine andere Geschichte.